PRESSEMITTEILUNG DER EVA LUISE UND HORST KÖHLER STIFTUNG
Auszeichnung eines richtungsweisenden Projekts von Prof. Dr. Didier Stainier, Dr. Christopher Dooley und Lara Falcucci (Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung) zur therapeutischen Nutzung transkriptioneller Adaptation – Anerkennungspreis für innovative Diagnostik neuromuskulärer Erkrankungen an Dr. Isabell Cordts (TU München) und Prof. Dr. Thomas Klopstock (LMU München)
Eva Luise Köhler hat am Freitag, 20. Juni 2025, im Beisein von Professor Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA, und 200 geladenen Gästen in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) zum 17. Mal den nach ihr benannten und mit 50.000 Euro dotierten Forschungspreis für Seltene Erkrankungen verliehen.
Ausgezeichnet wurden Prof. Dr. Didier Stainier, Direktor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, Dr. Christopher Dooley und Lara Falcucci für ihr gemeinsames Forschungsprojekt zur gezielten therapeutischen Nutzung genetischer Kompensationsmechanismen bei Seltenen Erkrankungen. Im Zentrum ihrer Arbeiten steht die sogenannte „transkriptionelle Adaptation“ – ein körpereigener Schutzmechanismus, bei dem bei bestimmten Mutationen andere Gene aktiviert werden, um den Funktionsverlust zu kompensieren. Bereits 2015 gelang Stainiers Arbeitsgruppe auf diesem Gebiet eine bahnbrechende Entdeckung, die in der Wissenschaftszeitschrift Nature veröffentlicht wurde.
Die nun ausgezeichnete Forschungsarbeit, die kürzlich ebenfalls in Nature veröffentlicht wurde, konnte das Phänomen erstmals in menschlichen Zellen bei Patientinnen und Patienten mit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) nachweisen. Dabei zeigte sich, dass durch den Abbau mutierter Dystrophin-mRNA funktionell verwandte Gene wie Utrophin aktiviert werden, was eine teilweise Wiederherstellung der Muskelzellfunktion ermöglicht. Die Erkenntnis, dass mRNA-Fragmente aktiv zur Regulation anderer Gene beitragen können, stellt eine paradigmatische Erweiterung des Verständnisses genetischer Prozesse dar.
„Die Arbeiten von Professor Stainier und seinem Team sind von herausragender wissenschaftlicher Qualität und bieten das Potenzial, die therapeutische Landschaft bei genetisch bedingten Seltenen Erkrankungen grundlegend zu verändern“, erklärt Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung. „Der gezielte Einsatz körpereigener Kompensationsmechanismen eröffnet neue, bislang ungenutzte Wege, insbesondere dort, wo bisherige Therapieansätze an ihre Grenzen stoßen. Die Forschung ist ein beeindruckendes Beispiel für visionäre Grundlagenforschung mit hoher klinischer Relevanz.“
In ihrem aktuellen Projekt planen die Forschenden, mithilfe spezifischer Antisense-Oligonukleotide (AONs) gezielt verschiedene Dystrophin-Varianten herzustellen, um die endogene transkriptionelle Adaptation besser zu verstehen. In einem zweiten Schritt soll der Mechanismus auch auf andere genetisch bedingte Erkrankungen übertragen werden. Sollte sich das Konzept bewähren, könnten daraus neue Therapieansätze nicht nur für die Muskeldystrophie Duchenne, sondern auch für andere bislang schwer behandelbare Seltene Erkrankungen entstehen.
Zusätzlich wurde in diesem Jahr auch ein Anerkennungspreis vergeben. Die Auszeichnung erhielten Dr. Isabell Cordts (Technische Universität München) und Prof. Dr. Thomas Klopstock (Ludwig-Maximilians-Universität München) für ihr Projekt „DEtecting genetic Causes Of rare motor neuron DiseasEs – Decode MND“. In ihrer Arbeit nutzen sie eine moderne Long-Read-Genomsequenzierung, um bisher unerkannte genetische Ursachen schwerer Motoneuronerkrankungen aufzudecken. Damit schließen sie eine entscheidende diagnostische Lücke – insbesondere für Patientinnen und Patienten, bei denen herkömmliche Verfahren bislang keine Klarheit bringen konnten.
„Mit diesem Projekt wird nicht nur das diagnostische Spektrum erweitert, sondern auch eine Brücke zwischen molekularer Forschung und klinischer Praxis geschlagen“, so Eva Luise Köhler, Vorsitzende des Stiftungsrats. „Die Verbindung von wissenschaftlicher Exzellenz mit klinischer Erfahrung ist der Schlüssel, um Fortschritte rasch und gezielt bei den Patientinnen und Patienten ankommen zu lassen. Das verdient höchste Anerkennung.“
Prof. Dr. Didier Y. R. Stainier ist Direktor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim und zählt zu den international führenden Wissenschaftlern im Bereich der Entwicklungsgenetik. Er studierte Biologie an der Brandeis University (USA) und promovierte an der Harvard University. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School leitete er über viele Jahre ein eigenes Labor an der University of California, San Francisco, bevor er 2012 an das Max-Planck-Institut in Deutschland wechselte. Sein wissenschaftliches Interesse gilt den genetischen und molekularen Mechanismen der Organentwicklung und -regeneration. Mit seinen Arbeiten zur sogenannten transkriptionellen Adaptation hat er ein grundlegendes biologisches Prinzip entdeckt, das potenzielle neue Therapieansätze für genetisch bedingte Erkrankungen eröffnet. Für seine Forschung wurde er vielfach ausgezeichnet, darunter mit mehreren renommierten ERC Advanced Grants. Professor Stainier war der erste Empfänger des Christiane Nüsslein-Volhard-Preises der European Zebrafish Society.
Dr. Christopher Dooley ist Postdoktorand in der Abteilung für Genetik der Entwicklung am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim. Seine Forschung konzentriert sich auf die molekularen Mechanismen genetischer Kompensation, insbesondere die transkriptionelle Adaptation. Im Rahmen des ausgezeichneten Projekts untersucht er, wie Mutationen in bestimmten Genen durch die Aktivierung funktionell ähnlicher Gene kompensiert werden können. Ziel ist, neue therapeutische Ansätze für seltene genetische Erkrankungen zu entwickeln.
Lara Falcucci ist Doktorandin in der Abteilung für Genetik der Entwicklung am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim. Sie ist Erstautorin einer Studie, die den Mechanismus der transkriptionellen Adaptation in menschlichen Muskelzellen bei Duchenne-Muskeldystrophie nachweist. Ihre Arbeit trägt wesentlich zum Verständnis der genetischen Kompensationsmechanismen bei und bietet potenzielle neue Ansätze für die Behandlung seltener genetischer Erkrankungen.
Dr. Isabell Cordts ist Ärztin und Wissenschaftlerin an der Klinik und Poliklinik für Neurologie des TUM Klinikums Rechts der Isar der Technischen Universität München. Sie absolvierte einen Postdoc an der Mayo Clinic in Jacksonville, Florida, USA, gefördert durch ein Walter-Benjamin-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), bei dem sie Long-read RNA- und DNA-Sequenzierungstechnologien zur Erforschung der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und verwandter Motoneuronerkrankungen einsetzte. Dr. Cordts leitet die Arbeitsgruppe Translationale Neurogenetik und widmet sich der translationalen Forschung mit einem Schwerpunkt auf seltene neurologische Erkrankungen. Ihre Arbeit wird unter anderem durch ein Hertie-Fellowship im Rahmen des Hertie Network of Excellence in Clinical Neuroscience unterstützt. Darüber hinaus ist sie als Studienärztin in mehreren multizentrischen Studien tätig, die sich mit der Identifikation von Biomarkern und der Verbesserung diagnostischer Verfahren bei neuromuskulären Erkrankungen befassen.
Prof. Dr. med. Thomas Klopstock ist Facharzt für Neurologie und Oberarzt am Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er leitet das Zentrum für mitochondriale Erkrankungen am LMU Klinikum, ist Koordinator des Deutschen Netzwerks für mitochondriale Erkrankungen (mitoNET) und des internationalen Forschungsprojekts TIRCON (Treat Iron-Related Childhood-Onset Neurodegeneration), sowie Co-Sprecher aller vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbünde zu Seltenen Erkrankungen (Research4Rare). Zudem engagiert sich Professor Klopstock in zahlreichen weiteren Forschungsverbünden zu seltenen neurologischen Erkrankungen inklusive der Motoneuronerkrankungen Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Hereditäre spastische Paraparese (HSP). Seine Arbeit konzentriert sich auf die Identifikation neuer Krankheitsgene, das Verständnis von Pathomechanismen, die Leitung von internationalen Registern und Studien zum natürlichen Verlauf sowie die Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Ansätze für seltene neurogenetische Erkrankungen.
Im März 2006 gründeten der damalige Bundespräsident Professor Dr. Horst Köhler und seine Frau Eva Luise Köhler eine Stiftung, die sich für Forschungsförderung im Bereich Seltener Erkrankungen engagiert. Der seit 2008 in Kooperation mit der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen ACHSE e.V. jährlich verliehene und mit 50.000 Euro dotierte Eva Luise Köhler Forschungspreis zählt zu den angesehensten Auszeichnungen in diesem Forschungsbereich. Mit der Alliance4Rare hat die Stiftung 2022 zudem ein visionäres Versorgungs- und Forschungsnetzwerk für Seltene Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter auf den Weg gebracht.
www.elhks.de
Pressekontakt: Eva Thull, thull@elhks.de, +49 228 299 799 96
Der Eva Luise Köhler Forschungspreis wird seit der ersten Auszeichnung im Jahr 2008 in enger Kooperation mit der ACHSE vergeben. Der Wissenschaftliche Beirat der ACHSE führt das Auswahlverfahren durch und schlägt der Stiftung die Preistragenden vor.
“Menschen mit einer chronischen seltenen Erkrankung haben eine besonders schwere Lebenssituation zu meistern. Für die Arbeit der ACHSE bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.”
Eva Luise Köhler, Schirmherrin der ACHSE
Bianca Paslak-Leptien
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
+49-30-3300708-26
liamE
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